Zweifel am Studium

Karin Distler · 

Ist mein Studium wirklich das Richtige? Diese Frage hat sich wohl jede:r Studierende schon einmal gestellt. Was aber tun, wenn das nagende Gefühl des Zweifelns gar nicht mehr verschwinden möchte?

Wir alle kennen diese Momente, in denen man seine Lernunterlagen am liebsten aus dem Fenster werfen und sich unter einer Decke verkriechen würde, bis das Semester endlich vorüber ist. Der Alltag an der Universität verlangt Studierenden schließlich so einiges ab. Klausuren und Hausarbeiten sind dabei neben den organisatorischen Schwierigkeiten des Hochschullebens nur die Spitze des Eisbergs. In der Regel gehen diese Phasen schnell wieder vorüber. Was aber tun, wenn Gefühle des Unwohlseins und des Zweifels an der Studienentscheidung zum ständigen Begleiter werden?

Das unangenehme Empfinden, sich in seinem Studienfach fehl am Platz zu fühlen und keine Identifikation mit den Lerninhalten herstellen zu können, kann verschiedene Ursachen haben.

Insbesondere bei den ersten Schritten ins Unileben sehen sich viele mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert, die zu Schulzeiten in dieser Form nicht aufgetreten sind. Das ganze Paralleluniversum der Hochschule scheint fremd und überfordernd. Hier lohnt es sich, die damit verbundenen Ängste offen anzugehen und sich Unterstützung durch erfahrene Studierende zu suchen. Das kann zum Beispiel im Rahmen der Mentor:innenprogramme geschehen, die einige Universitäten anbieten.

Sofern nun nach einiger Zeit alles in geordneten Bahnen verläuft und die zweifelnde Stimme im Hinterkopf dennoch nicht verstummen möchte, ist es ratsam, sich näher damit auseinanderzusetzen. Vielleicht sind es die Studieninhalte selbst, die einem kaum mehr als ein müdes Gähnen entlocken können. Eventuell stellt man aber auch fest, dass die Berufsaussichten, die sich mit dem Studium eröffnen, doch nicht den Vorstellungen von der eigenen Zukunft entsprechen. Möglicherweise trifft aber auch beides in Kombination zu. In jedem Fall könnte ein Studienfachwechsel Erleichterung bringen.

Sollte jedoch die Struktur des Hochschullebens selbst, zum Beispiel die freie Zeiteinteilung und die langen Semesterferien, der Kern des Problems sein, so ist man mit einem Wechsel zu einem Konzept mit mehr Planbarkeit und Sicherheit von außen, wie es beispielsweise eine Berufsausbildung bieten kann, eventuell besser beraten.

Viele Studierende sind beim Gedanken, das aktuelle Studium ohne Abschluss zu beenden, erst einmal unsicher. Hierbei spielen mannigfaltige Faktoren eine Rolle, unter anderem die Angst vor den Reaktionen des Umfelds oder ganz praktische Bedenken. Anzuführen ist beispielsweise die Finanzierbarkeit einer dadurch natürlich verlängerten Studienzeit.

Überdies kann es schwierig sein, den eigenen Lebensentwurf, der bei vielen zu großen Teilen auf dem angestrebten Beruf beruht, mit dieser Entscheidung völlig neu sortieren zu müssen. Dadurch kann auch das eigene Selbstbild ziemlich ins Wanken geraten, eventuell sogar verbunden mit Selbstvorwürfen. Vorstellbar ist darüber hinaus ein Gefühl der Minderwertigkeit gegenüber den Kommiliton:innen, die ohne jegliche Zweifel durch das Studium zu schweben scheinen. Dies ist zwar menschlich absolut verständlich, aber auch unbegründet. Der Vergleich mit anderen wird immer ein unvollständiges Bild der Wahrheit ergeben. Letztlich können nur diese Personen selbst wissen, was wirklich in ihnen vor sich geht und wie es hinter den Kulissen aussieht. Entscheidend ist, dass man für sich durch diese Veränderung ein Stück weit innere Zufriedenheit erlangt, die mit dem aktuellen Studienfach verwehrt bleibt.

Leider wird diese Entscheidung gesellschaftlich immer noch häufig als Scheitern oder persönliches Versagen angesehen, was jedoch in keiner Weise mit der Zahl der tatsächlich vermeldeten Studienabbrüche korreliert. Im Jahr 2018 gaben beispielsweise 27% aller Bachelorstudierenden in Deutschland ihr Studium auf, verließen also die Universität.¹ Es handelt sich beim Studienabbruch folglich keineswegs um ein Nischenphänomen, von dem nur einzelne Studierende betroffen sind.

Dennoch findet die Thematik im allgemeinen Diskurs kaum Niederschlag. Daher ist es umso wichtiger, sich nicht von äußeren Einflüssen leiten zu lassen, sondern auf sich selbst zu hören. Wenn das unangenehme, drückende Bauchgefühl in Bezug auf das eigene Studium einfach nicht weichen möchte, sollte es nicht abgetan und zurückgestellt werden. Vielmehr weist es auf eine Dissonanz zwischen den Zuständen im Inneren und den äußeren Gegebenheiten hin, die auf Dauer einer Lösung bedarf. Kommt man nun zum Ergebnis, dass das Studium, mit dem man vielleicht schon mehrere Semester zugebracht hat, nicht (mehr) das Richtige ist, so darf man diese Erkenntnis ohne Selbstvorwürfe annehmen und als wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer persönlich erfüllenden Zukunft ansehen.

 

¹https://de.statista.com/statistik/daten/studie/883768/umfrage/studienabbruchquote-in-bachelorstudiengaengen-an-hochschulen-in-deutschland/