Referendariat während Corona

ZRDyoung-Redaktion · 

Endlich das trockene Studium hinter sich lassen und auf in die Praxis! Mit dem Start ins Ref geht der Spaß für angehende Volljurist:innen erst so richtig los.

Luise Burger verbringt derzeit ihre Wahlstation am ZRD und nimmt uns mit durch zwei Jahre Referendariat. Sie berichtet uns, welche Stationen ihr besonders weitergeholfen haben, wie Corona sich auf ihre Ausbildung ausgewirkt hat und was sie sich für zukünftige Referendar:innen wünscht!

 

„Das Referendariat ist die beste Zeit der juristischen Ausbildung!“

„Bei uns haben sich im Referendariat echt nochmal Freundschaften für’s Leben gebildet.“

„Man fühlt sich fast nochmal wie ein Ersti, neue Leute, Feiern, so viel Neues!“

 

Das sind alles Sätze, die ich vor meinem Referendariat immer wieder gehört habe. Diese Aussagen stammen allerdings von ehemaligen Referendar:innen, die ihr Referendariat nicht während einer globalen Pandemie absolviert haben.

 

Ich habe im Oktober 2020 mein Referendariat am Landgericht Mannheim, Baden-Württemberg, angefangen und im Laufe der zweijährigen Ausbildung, die eigentlich den im Studium fehlenden Praxisbezug herstellen soll, steigende Inzidenzen, Kontaktbeschränkungen und diverse Lockdowns miterlebt.

 

Und auch wenn dieser Beitrag als Reaktion kein Mitleid bei den Leser:innen hervorrufen möchte, kann ich als persönliches Fazit nur vorabstellen, dass die obigen Aussagen leider so nicht von mir stammen könnten. Denn abgesehen von meinem Einführungslehrgang, der Anfang Oktober 2020 gerade noch in Präsenz (und mit Maske) stattfinden konnte, einzelnen Veranstaltungen gegen Ende des Referendariats und einem Examenstermin im Juni 2022, der zwar in einem von leichten Lockerungen geprägten Zeitraum stattfand, letztlich aber doch zwei Corona-Fälle mit sich brachte, habe ich die meisten meiner Ausbilder:innen und Mit-Referendar:innen eigentlich nur in kleinen Kacheln auf einem Bildschirm gesehen.

 

In Baden-Württemberg ist das Referendariat dem Grunde nach so strukturiert, dass nach einem knapp dreiwöchigen Einführungslehrgang die Zivilstation als erste Station, die fünf Monate umfasst, beginnt. Im Unterschied dazu wird beispielsweise im Saarland mit einer dreimonatigen Strafrechtsstation gestartet.

In der Zivilstation konnte man sich entweder ans Landgericht Mannheim oder eines der umliegenden Amtsgerichte zuweisen lassen. Ich wurde dem Landgericht und dort der Vorsitzenden einer Kammer für Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen zugewiesen. Als ich auf dem Geschäftsverteilungsplan zum ersten Mal den Namen meiner Richterin eingab und dieses Sachgebiet entdeckte, hatte ich schon die Befürchtung, dass ich mich in den nächsten Monaten nur mit dieser Thematik, zu der ich natürlich absolut keine vertieften Kenntnisse hatte, beschäftigen würde. Und ich konnte mir definitiv Spannenderes vorstellen. Allerdings war dies, und die doch eher mangelnde Examensrelevanz, wohl auch meiner Ausbilderin bewusst. Denn sie gab sich größte Mühe, für mich Fälle und Urteile zu finden, um mich bestmöglich auf das Zweite Examen vorzubereiten. Nachdem dank ausführlichem Feedback anfängliche Schwierigkeiten beim Verfassen von Urteilen überwunden werden konnte (fünf Jahre Gutachtenstil lassen sich leider doch nicht von einem auf den anderen Tag durch den Urteilsstil ablösen), durfte ich gegen Ende der Station sogar Zeug:innen vor Gericht befragen und dabei erste Erfahrungen mit dem doch eher unintuitiven richterlichen Diktiergerät sammeln. Nachdem ich von anderen Referendar:innen mitbekommen habe, dass diese weder bei Gerichtsverhandlungen anwesend sein durften, noch ihre Ausbilder:innen überhaupt regelmäßig gesehen haben, bin ich sehr froh, dass meine Ausbilderin sich so sehr dafür eingesetzt hat, mir einen zumindest einigermaßen praxisnahen Einblick in die zivilrichterliche Tätigkeit zu geben. Ob dieser wesentlich anders ausgefallen wäre, wenn währenddessen kein Lockdown gewesen wäre, kann ich natürlich trotzdem nicht abschließend beurteilen.

 

Auf die Zivilstation folgt in Baden-Württemberg die Strafstation, die dreieinhalb Monate umfasst. Um wieder den Vergleich zum Saarland zu ziehen – dort schließt an die Strafstation als erste die fünfmonatige Zivilstation an. Entgegen der wohl üblicherweise gewünschten Zuweisung zur Staatsanwaltschaft habe ich mich für die Strafstation an das Amtsgericht zuweisen lassen und wurde dort einer Strafrichterin zugeteilt, die zu diesem Zeitpunkt erst seit einigen Monaten als Strafrichterin tätig war. Auch wenn man jetzt vermuten könnte, dass man bei einem langjährigen Strafrichter vielleicht mehr von dessen Berufserfahrung hätte profitieren können, bin ich der Meinung, dass gerade die Tatsache, dass für meine Ausbilderin das Referendariat auch noch nicht allzu lange zurück lag, diese Station so lehrreich gemacht hat. Denn dadurch konnte sie mir mehrere sehr hilfreiche Tipps zur Examensvorbereitung geben, hat mir trotz der Station bei Gericht auch Aufgabenstellungen aus staatsanwaltschaftlicher Sicht gegeben und war vor Gericht unfassbar engagiert. Ich durfte zwar im Examen letztlich dann, was zu erwarten war, kein strafrechtliches Urteil verfassen, fand aber nichtsdestotrotz den Einblick aus der gerichtlichen Perspektive in die strafrechtliche Arbeitswelt der Justiz einzigartig.

 

An die Strafstation schließt sich in Baden-Württemberg die Rechtsanwaltsstation I an, die sich über einen Zeitraum von viereinhalb Monaten erstreckt. Im Saarland folgt dagegen eine dreimonatige Verwaltungsstation und danach zwar auch eine Anwaltsstation I und II, die allerdings direkt aufeinander folgen und insgesamt einen Zeitraum von 10 Monaten (1x6, 1x4 Monate) umfassen. Meine Anwaltsstation I habe ich in einer mittelständischen Kanzlei in Mannheim gemacht und war dort primär im Bereich Gesellschaftsrecht eingesetzt. Als willkommene Abwechslung zu einem mittlerweile von Online-Veranstaltungen geprägten Alltag durfte ich dort vor Ort arbeiten und konnte erste Einblicke in Kanzleialltag und die anwaltliche Arbeitsweise gewinnen. Und auch wenn mich das Gesellschaftsrecht als Fachrichtung letztlich nicht vollständig für sich einnehmen konnte, habe ich die Berührungen damit sowie den fachlichen Austausch und den Umgang in der Kanzlei untereinander sehr geschätzt. Allerdings musste ich feststellen, dass ich mich im späteren Berufsleben eher nicht in einer „klassischen“ Anwaltstätigkeit in einer Kanzlei sehe und möchte an dieser Stelle auch anderen Studierenden und Referendar:innen Mut machen, für sich ebenfalls ein solches Fazit ziehen zu können. Glücklicherweise hat Jura jedoch noch viel mehr zu bieten als „nur“ die klassischen Berufsbilder wie Anwältin oder Staatsdienst.

 

Die auf die Anwaltsstation I in Baden-Württemberg folgende Verwaltungsstation habe ich an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer verbracht. Ursprünglich wollte ich diese Station bei der Polizei verbringen, die allerdings nur sehr begrenzte Plätze in Baden-Württemberg bereitstellt und deren Anzahl aufgrund der Corona-Pandemie nochmals reduziert wurde. Letztendlich muss ich jedoch zugeben, dass diese Station wohl zu meinen liebsten im Referendariat gehört. Denn die Universität Speyer bietet ihren Studierenden nicht nur die Möglichkeit, ihre Kenntnisse im Öffentlichen Recht durch Landesübungen für die jeweiligen Bundesländer und spezielle Vertiefungsvorlesungen wie „Die öffentlich-rechtliche Assessorklausur“ oder „Fallbearbeitung im Verwaltungsprozess“ zu verbessern, sondern bietet auch Vorlesungen wie „Weinrecht“, „Psychologie für Juristen“ und „IT-Recht“ an. Dadurch bekommt man Einblicke in Rechtsgebiete, die einem vorher vielleicht auch gar nicht so bekannt waren und wird sich der Vielfältigkeit von Recht erst richtig bewusst. Unter anderem durch das Vorlesungsangebot dort habe ich schließlich auch den Entschluss gefasst, für das Zweite Staatsexamen „IT-Recht“ als Schwerpunkt zu wählen, was in Baden-Württemberg erstmals 2021 angeboten wurde. Leider wirkte sich auch auf diese Station die Pandemie so aus, dass nach knapp drei Wochen Vorlesungszeit in fast allen Vorlesungen zum Online-Format gewechselt wurde und das „Feier-Semester“ in Speyer doch eher wenig Party und dafür mehr Bildschirm-Zeit mit sich brachte.

 

Im Februar 2022 begann dann mit der Rechtsanwaltsstation II die letzte Station vor den schriftlichen Prüfungen im Juni. Von vielen Referendaren wird diese als eine Art „Tauch-Station“ genutzt, um sich intensiv auf das Examen vorzubereiten und dafür nur sehr wenig Zeit vor Ort bei ihren Ausbilder:innen zu verbringen. Ich hatte mich allerdings dazu entschieden, mir in dieser Station nochmal eine Kanzlei in Frankenthal anzuschauen, die im Gegensatz zu Gesellschaftsrecht eher die „alltäglicheren“ Fachbereiche wie Mietrecht, Arbeitsrecht, Strafrecht, Baurecht, allgemeines Zivilrecht etc. abgedeckt hat. Denn ich wollte den Beruf „Kanzlei-Anwältin“ für mich nicht gänzlich ausschließen, ohne mir eine so strukturierte Kanzlei anzuschauen. Glücklicherweise wurden im Laufe dieser Station die Corona-Bestimmungen nach und nach etwas gelockert, weswegen ich bei meinem Ausbilder vor Ort und auch bei Mandant:innengesprächen anwesend sein konnte. Dadurch konnte ich in dieser Station nochmal viel aus der täglichen anwaltlichen Praxis mitnehmen und vieles davon sogar auch im Zweiten Staatsexamen einsetzen.

 

Derzeit verbringe ich meine letzte Station, die Wahlstation, am Zentrum für Recht und Digitalisierung (ZRD) in Saarbrücken. Meine Ausbilderin habe ich schon während meiner Zeit in Speyer kennengelernt, die dort die Vorlesung „Recht der IT-Sicherheit“ mitbetreut hat. Spannend fand und finde ich am ZRD, welches erst Ende 2019 gegründet wurde, dass es eine Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis darstellt und sich dabei der Bewältigung rechtlicher Probleme und Herausforderungen der Digitalisierung stellt. Dort arbeiten übrigens nicht nur Juristen, sondern auch Informatiker, BWLer und mittlerweile sogar eine Psychologin. Insbesondere dieser Austausch zwischen den einzelnen Fachbereichen macht die Station dort so abwechslungsreich und vielseitig. Zusätzlich kann ich dort sogar meine Kenntnisse für den Schwerpunkt vertiefen.

 

Alles in allem habe ich die Referendarinnen-Ausbildung trotz der Corona-Pandemie als eine sehr aufregende und abwechslungsreiche Zeit mit vielen Einblicken in unterschiedlichste Bereiche wahrgenommen. Wie viel uns beziehungsweise mir durch die Pandemie tatsächlich entgangen ist, werde ich wohl nie abschließend beurteilen können. Aber ich wünsche mir für die zukünftigen Referendar:innen doch sehr, dass ihnen die viele Bildschirm-Zeit und der fehlende Austausch mit Mit-Referendar:innen und Ausbilder:innen erspart bleibt; ebenso die Angst, sich möglicherweise doch noch vor dem Examen anzustecken.