Legal Tech – kurz erklärt

Tim Schneider · 
Vor einem weißen Hintergrund sieht man das Logo des ZRDyoung.

Legal Tech ist ein Begriff, der im juristischen Alltag in den letzten Jahren immer häufiger zu hören ist. Doch was genau ist darunter eigentlich zu verstehen? Welche Schwierigkeiten betreffen die Verknüpfung von Recht und Technik? Und wie kommt Legal Tech in der Praxis zur Anwendung? Diesen Fragen möchte der vorliegende Beitrag nachgehen.

A. Begriffsbestimmung

Zunächst erscheint es wichtig zu klären, wie weit der Begriff Legal Tech reicht und was genauer darunter zu verstehen ist. Dies ist bedeutend, da der Terminus in den Medien – aber auch in der wissenschaftlichen Literatur – mittlerweile so inflationär verwendet wird, dass die Bezeichnung “Legal Tech” (Kurzform für Legal Technology)[1] inzwischen zu einer Art Buzzword geworden ist. Allerdings muss auch beachtet werden, dass es schwierig ist, den Begriff genau zu definieren. Dies liegt daran, dass Legal Tech in vielen verschiedenen Zusammenhängen genannt wird. Daher finden sich in unterschiedlichen Medien und Disziplinen häufig eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen. Eine genaue, allgemeingültige Definition des Begriffes existiert somit nicht. Die meisten Definitionen lassen sich jedoch auf den gemeinsamen Nenner bringen, dass unter Legal Tech im weiten Sinne Informationstechnik zu verstehen ist, welche in irgendeiner Weise die juristische Arbeit unterstützt.[2]

Legal Tech kann man daher als Informationstechnologie auffassen, die bei der rechtlichen Arbeit als Unterstützung eingesetzt wird. Diese allgemeine Beschreibung kann nun noch feiner in Unterkategorien – Legal Tech 1.0 bis 3.0 – eingeteilt werden, je nachdem welche Art von Informationstechnologie eingesetzt wird und wie weit die Unterstützungsleistung durch den Technikeinsatz reicht.[3]

Legal Tech 1.0 betrifft dabei lediglich die computergestützte Büroorganisation und Kommunikation.[4] Legal Tech 2.0 entspricht der automatischen Abwicklung von juristischen Arbeitsprozessen durch den Einsatz von Informationstechnologie.[5] Von Legal 3.0 werden Smart Contracts und KI-Systeme erfasst, die Daten auswerten und hieraus selbstständig Regeln und Entscheidungen ableiten können.[6]

Die Unterscheidung der verschiedenen Legal-Tech-Stufen erfolgt demnach grundsätzlich nach der Fortschrittlichkeit der eingesetzten Technik. Während computergestützte Kommunikation und Organisation (Legal Tech 1.0) mittlerweile zum zeitgemäßen Standard der allermeisten Kanzleien und Gerichte gehört, hat insbesondere die in Legal Tech 2.0 zum Einsatz kommende Technik in den letzten Jahren einen gewaltigen Schub erhalten. So können durch die Anwendung von Informationstechnologie juristische Arbeitsschritte bis zu einem gewissen Grad automatisiert und dadurch schneller und kostengünstiger erledigt werden, als dies bei einer menschlichen Durchführung der Arbeitsschritte der Fall wäre.[7] Legal Tech 3.0 hingegen betrifft vor allen Dingen den zukünftigen Einsatz von Technik in der juristischen Arbeitsweise, insbesondere durch die Anwendung von KI-basierten Methoden.[8] Zwar werden solche Methoden heute bereits vereinzelt angewendet.[9] Weitestgehend befindet sich jedoch die zur Zeit eingesetzte Technik auf dem Stand von Legal Tech 2.0 mit Blick in Richtung Legal Tech 3.0.[10]

 

B. Zusammenspiel zwischen Recht, Technik und Mensch

Doch warum wird die Nutzung von Legal Tech in der juristischen Praxis sowie in der Literatur so heftig diskutiert? Dies betrifft vor allen Dingen die weitgehend noch unbeantwortete Frage, in welchem Verhältnis der Einsatz von Recht und Technik zueinander stehen sollte.[11] Hierbei stellt sich zum einen die Grundsatzfrage, ob sich das Recht beim fortschreitenden Technikeinsatz in der juristischen Praxis langfristig der Technik unterzuordnen hat, oder aber ob die Technik nur so weit reichen sollte, wie es das Recht zulässt.  Zum anderen muss auch die zukünftige Rolle des Menschen bei der Rechtsanwendung genügend Beachtung finden. Dies betrifft vor allem den Einsatz fortgeschrittener Informationstechnologie, wie sie etwa bei Legal Tech 3.0 zur Anwendung kommt. Die dort eingesetzten Methoden könnten dazu in der Lage sein, den menschlichen Erkenntnisprozess der Rechtsfindung vollständig zu digitalisieren und ohne die Mitwirkung von Juristen durchzuführen.[12] Hierdurch würde die Gefahr bestehen, dass die menschliche Beteiligung in der juristischen Praxis überflüssig werden würde.

Zur Klärung der Frage, wie das Zusammenspiel zwischen Recht, Technik und Menschen im Laufe der fortschreitenden technischen Entwicklung künftig betrachtet werden sollte, müssen einige Punkte berücksichtigt werden. Es muss zunächst beachtet werden, dass die deutsche Rechtsordnung anthropozentrisch aufgebaut ist: Die Rechtsregeln beziehen sich grundsätzlich auf Menschen und diesen obliegt auch die Anwendung des Rechts.[13] Insoweit könnte davon ausgegangen werden, dass die Rechtsanwendung durch den Menschen stets oberste Priorität haben sollte und der Technikeinsatz nur eine Hilfestellung geben sollte. Allerdings muss auch bedacht werden, welchen immensen Vorteil die Anwendung von Informationstechnologie für die rechtliche Tätigkeit mit sich bringen kann. So könnte ein großflächiger Technikeinsatz in der Rechtspraxis erheblich Zeit, Kosten und menschliche Ressourcen einsparen und die juristischen Arbeitsabläufe insgesamt effektiver gestalten.[14] Die Möglichkeiten der Arbeitserleichterung durch die Einbringung von Informationstechnologie in juristische Abläufe müssen daher auch genügend Beachtung finden. Insofern liegt es nahe, den Einsatz von Legal Tech je nach Art des rechtlichen Arbeitsprozesses einzugrenzen. Gerade dort, wo es auf subjektive Werturteile und eine umfassende Rechtsauslegung ankommt, erscheint es nach wie vor sinnvoll, auch in Zukunft weiterhin auf das menschliche Urteils- und Empfindungsvermögen zu setzen und der menschlichen Rechtsanwendung grundsätzlich den Vorzug zu geben.  In einfach gelagerten und typisierbaren Rechtsfällen hingegen, wie sie etwa in Massengeschäften häufig vielfach vorkommen, kann es hilfreich sein, die Rechtsanwendung durch den Technikeinsatz zu automatisieren und hierdurch die juristische Tätigkeit insgesamt zu beschleunigen. Hierdurch könnte ein bestmögliches Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik erzielt werden. Der Mensch steht immer noch im Mittelpunkt der Rechtsanwendung. Die Technik kommt jedoch an den geeigneten Stellen zur Anwendung, sodass auch die Vorteile des Einsatzes von Informationstechnologie bestmöglich umgesetzt werden. Vergleichbare Überlegungen stellen sich auch für die Frage nach der Beziehung von Recht und Technik insgesamt. Auch hier sollte darauf geachtet werden, dass beide Disziplinen sich bestmöglich unterstützen.[15]

Insgesamt muss allerdings gesagt werden, dass die Frage nach dem Zusammenspiel von Recht, Technik und Mensch noch weitgehend ungeklärt ist. Hierzu gibt es unterschiedliche Anknüpfungspunkte mit unterschiedlichen Lösungsansätzen. Die genauere Gestaltung des Zusammenspieles hat dabei immense Auswirkungen auf den weiteren Einsatz von Informationstechnologie in der Rechtsanwendung. Dies dürfte in der Literatur daher auch weiterhin große Beachtung finden und zu weiteren Diskussionen führen.

 

C. Anwendungsbeispiele

Wie bereits erläutert befinden sich die meisten in der juristischen Praxis eingesetzten Methoden zurzeit auf dem Stand von Legal Tech 2.0. Informationstechnologie findet daher vornehmlich dort Anwendung, wo juristische Arbeitsvorgänge bis zu einem gewissen Grad automatisiert werden können.[16] Dies ist vor allen Dingen in der Rechtsdienstleistungs-Branche der Fall.[17] Daher stammen die meisten Anwendungsbeispiele auch aus diesem Bereich.

 

I. Online-Rechtsberatung

Gerade in Rechtsstreitigkeiten, die keiner umfassenden rechtlichen Wertung bedürfen, können Legal-Tech-Anwendungen zur Online-Rechtsberatung eingesetzt werden. Beispielhaft zu nennen sind hierbei insbesondere Fälle in Zusammenhang mit Fluggastrechten. Diese Art von Rechtsfällen betreffen häufig unkomplizierte Rechtsfragen über eventuell bestehende Flugentschädigungen. Die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen sind relativ leicht zu überprüfen. Daher haben sich einige Firmen darauf spezialisiert, diese Art von Fällen mit Legal Tech zu lösen.

 

II. Automatisierte Vertragsgestaltung

Ein weiteres Anwendungsbeispiel für Legal Tech in der Praxis ist die automatisierte Vertragsgestaltung. Hierbei wird eine Software verwendet, mittels der Verträge und andere Dokumente automatisch nach den individuellen Bedürfnissen ihrer Nutzer erstellt werden. Die Software stellt hierzu nach einem festgelegten Ablauf Fragen und setzt im Anschluss anhand der betreffenden Antworten der Nutzer das Dokument selbstständig zusammen. Auf diese Weise kann ein individuelles Schriftstück kostengünstig und schnell generiert werden. Diese Methode findet inzwischen insbesondere bei vielen Notariaten und Anwaltskanzleien bereits Anwendung.

 

III. Anwaltssuche:

Auch für die Anwaltssuche bietet Legal Tech Hilfestellungen. Hierzu bieten entsprechende Portale die Möglichkeit, den richtigen Anwalt für spezifische Rechtsfragen zu finden. Hierfür wird der entsprechende Rechtsfall geschildert und gegebenenfalls fallrelevante Dokumente hinzugefügt. Daraufhin werden dem Kunden dem Sachverhalt entsprechende Anwälte empfohlen und Beratungsangebote übermittelt.

 

D. Fazit und Ausblick

Der Einsatz von Legal-Tech-Anwendungen in der juristischen Praxis ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch in Zukunft immer mehr Informationstechnologie in die rechtliche Arbeitsweise mit eingebunden wird. Bereits der jetzige Stand der Technik hat das Potential, einen erheblichen Arbeits- und Kostenaufwand einzusparen. Dieses Potential dürfte durch die Entwicklung neuer Techniken in Zukunft noch einmal erheblich gesteigert werden. Ziel muss es sein, das Zusammenspiel zwischen Recht, Mensch und Technik bestmöglich auszubalancieren. Die Ausgestaltung dieses Zusammenspiels wird daher auch in Zukunft die Praxis und den wissenschaftlichen Diskurs weiter beschäftigen.

 

 

 

[1] Steinrötter/Warmuth in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimedia-Recht, Werkstand: 58. EL März 2022, Teil 30 Legal Tech Rn. 1.

[2] Groh in: Weber, Rechtswörterbuch, 29. Edition 2022, Legal Tech.

[3] Remmertz in: Hamm, Beck'sches Rechtsanwalts-Handbuch, 12. Auflage 2022, § 64. Legal Tech und RDG Rn. 8-13; Hähnchen/Schrader/Weiler/Wischmeyer: Legal Tech, JuS 2020, 625 (626).

[4] Hähnchen/Bommel, Digitalisierung und Rechtsanwendung, JZ 2018, 334 (335).

[5] Groh in: Weber, Rechtswörterbuch, 29. Edition 2022, Legal Tech.

[6] Remmertz in: Hamm, Beck'sches Rechtsanwalts-Handbuch, 12. Auflage 2022, § 64. Legal Tech und RDG Rn. 12.

[7] Siehe hierzu Hähnchen/Bommel, Digitalisierung und Rechtsanwendung, JZ 2018, 334 (336).

[8] Hähnchen/Schrader/Weiler/Wischmeyer: Legal Tech, JuS 2020, 625 (626).

[9] Vergleiche etwa den Einsatz von Smart Contracts im Rahmen der Ethereum-Plattform, Eschenbruch/Gerstberger, Smart Contracts, NZBau 2018, 3 (4).

[10] Remmertz in: Hamm, Beck'sches Rechtsanwalts-Handbuch, 12. Auflage 2022, § 64. Legal Tech und RDG Rn. 13.

[11] Vergleiche hierzu etwa Roßnagel, Technik, Recht und Macht, MMR 2020, 222 ff.

[12] Groh in: Weber, Rechtswörterbuch, 29. Edition 2022, Legal Tech.

[13] Hähnchen/Schrader/Weiler/Wischmeyer: Legal Tech, JuS 2020, 625.

[14] Hähnchen/Schrader/Weiler/Wischmeyer: Legal Tech, JuS 2020, 625.

[15] Vergleiche Hähnchen/Schrader/Weiler/Wischmeyer: Legal Tech, JuS 2020, 625.

[16] Steinrötter/Warmuth in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimedia-Recht, Werkstand: 58. EL März 2022, Teil 30 Legal Tech Rn. 1.

[17] Ebers/Heinze/Krügel/Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 22 Legal Tech Rn. 8.