Erfahrungsbericht Zweite juristische Staatsprüfung

ZRDyoung-Redaktion · 
Man sieht einen lachsrosa-farbenen Hintergrund, in dessen Mitte sich ein weißer unregelmäßiger Kreis befindet. In diesem Kreis ist die Darstellung einer Frau mit dunklen Haaren zu sehen, die an einem Schreibtisch aus gelben Holz sitzt und schreibt.

Luise Burger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZRD Saar und hat letztes Jahr in Baden-Württemberg ihr zweites Staatsexamen abgelegt. Für uns hat sie zu Papier gebracht, wie sie die Prüfungszeit wahrgenommen und welche Ratschläge sie für nachfolgende Prüflinge hat.

Kaum zu glauben, dass mein zweites juristisches Staatsexamen jetzt schon über ein Jahr her ist, zumindest die schriftlichen Klausuren. In manchen Momenten kann ich immer noch nicht ganz begreifen, dass ich die juristische Ausbildung tatsächlich voll und ganz abgeschlossen habe. Vermutlich sollte man sich – auch schon nach dem ersten Staatsexamen – öfter vor Augen führen, was man eigentlich schon alles geleistet hat. Denn man kann wahrlich stolz auf sich sein, wenn man das jeweilige Examen hinter sich gebracht hat.

 

Genau vor einem Jahr war ich gerade mitten in meiner Wahlstation, die ich übrigens am ZRD absolvieren durfte, und hatte die ersten Vertiefungsveranstaltungen für meinen Schwerpunkt. Denn in Baden-Württemberg schließt sich an die schriftlichen Klausuren die Wahlstation an, in der man mehrere Vertiefungsveranstaltungen für den Schwerpunkt hatte, für den man sich bei der Anmeldung zum zweiten Staatsexamen entscheiden musste. In diesem Wahlfach hat man dann im Rahmen der mündlichen Prüfung zum Staatsexamen einen weiteren Prüfungsbestandteil neben dem Aktenvortrag, Zivil-, Straf- und Öffentlichem Recht. Ich habe mich damals für IT-Recht entschieden (und habe diese Wahl nie bereut), obwohl dieser Schwerpunkt erst im zweiten Durchgang in Baden-Württemberg angeboten wurde.

 

Obwohl die schriftlichen Klausuren damit schon eine Weile zurückliegen, kann ich mich doch noch sehr gut an die Prüfungssituation und die Atmosphäre erinnern. In Baden-Württemberg schreibt man im zweiten Examen acht Klausuren und beginnt mit vier Klausuren im Zivilrecht, auf die zwei im Straf- und die letzten beiden im öffentlichen Recht folgen. Begonnen haben die Klausuren bei uns an einem Donnerstag und ich weiß noch genau, dass ich auf dem Hinweg unfassbar aufgeregt war - insbesondere weil in Mannheim die Klausuren (leider) nicht am Landgericht beziehungsweise in der Innenstadt geschrieben werden, sondern in einer etwas außerhalb gelegenen Halle. Deswegen musste ich mir im Vorfeld natürlich viele Gedanken darüber machen, wie man da eigentlich am besten hinkommen könnte – Autofahren? Mit der Nervosität vielleicht keine gute Idee ... Straßenbahnfahren? Keine Lust auf so viele Menschen direkt vor den Klausuren ... Fahrrad fahren? Mit allen Gesetzestexten und Kommentaren? Wohl auch keine so tolle Idee. Bis mein Freund dann den glorreichen Einfall hatte, mich mit dem Tandem zu den Klausuren zu fahren. Dadurch konnte ich vor den Klausuren nicht nur ein bisschen Luft schnappen, sondern unsere Ankunft mit dem Tandem war wohl für alle Prüfungsteilnehmer ein kleines Highlight.

 

Vor der großen Eingangstür wartete, ohne dass wir das so abgesprochen hätten, ein Großteil der Mit-Referendare aus meiner AG. Und obwohl ich bei diesem Anblick direkt die Befürchtung hatte, dass dort dann nur über die Klausuren geredet und spekuliert werden würde, was wohl so drankommen könnte, hat sich diese Angst absolut nicht bestätigt. Stattdessen wurde, und das dann auch konstant jeden Morgen vor jeder Klausur, über alles mögliche Belanglose geredet, um uns gegenseitig die Anspannung zu nehmen.

 

Im Prüfungsraum angekommen, musste man sich auf einer großen Pinnwand erstmal seinen Platz suchen, an dem man dann für die nächsten knapp zwei Wochen sitzen durfte. Nachdem ich mich selbst auf meinem Platz häuslich eingerichtet hatte, denn bei der Anzahl an Snacks, Bücher, Kommentaren und speziellen Stiften für unterschiedliche Funktionen kann man das wohl kaum anders beschreiben, durfte ich erstmal beobachten, wie neben mir auch schon Schmerzsalbe und -tabletten ausgepackt wurden. Auch wenn ich das schon am ersten Tag definitiv nicht für notwendig halte, möchte ich hier niemandem falsche Hoffnungen machen – Schreiben wird ab einem gewissen Zeitpunkt immer schmerzhafter und auch die Schönheit der Schrift nimmt mit fortschreitender Zeit ab. Aber wie immer gilt: Es geht allen so und man übersteht das irgendwie. Und Schönschrift hat (hoffentlich) noch nie über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Examensklausur entschieden!

 

Für mich persönlich waren die Momente die schlimmsten, in denen die Klausursachverhalte ausgeteilt wurden und man gespannt darauf wartet, wie der Sachverhalt sein wird und ob etwas drankommt, worauf man nicht optimal vorbereitet ist - Spoiler: Davon ist immer etwas dabei. Aber sobald man mal den Sachverhalt umgedreht und die Aufgabenstellung gelesen hat, ist zumindest bei mir immer die größte Anspannung abgefallen. Ich hatte immer das Gefühl, dass sich in diesem Moment eine Art juristischer Autopilot einschaltet, der dafür sorgt, dass man erstmal die wichtigsten Sachverhaltsinformationen erfasst, sein juristisches Handwerkszeug rauskramt und sich dann in einem nächsten Schritt Zeit für die Fein- und Gemeinheiten des Falls nehmen kann.

 

Eines kann ich nach insgesamt zwanzig Examensklausuren (sechs im Freischuss, sechs im Verbesserungsversuch und acht im Zweiten Examen) sagen und euch damit hoffentlich einen Teil der Angst nehmen: Man wird immer irgendetwas zu Papier bringen können. Dabei ist der erste Gedanke vielleicht nicht immer der beste, muss aber auch nicht der schlechteste sein und die Hauptsache ist erstmal, nicht in Panik zu verfallen und überhaupt nichts zu schreiben. Denn aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass manchmal auch schon sieben Seiten ausreichen können, auch wenn man eine Stunde vor Bearbeitungsende nochmal von vorne angefangen hatte.

 

Ich persönlich habe mich kurz vor den Klausuren sogar darauf gefreut, dass es bald losgehen würde und mit jeder Klausur fällt auch ein Teil der Last ab und die Vorfreude auf die allerletzte Klausur wächst immer weiter. Bewährt hat sich für mich, mir nach jeder Klausur irgendetwas Schönes vorzunehmen – das Lieblingsessen zu kochen, eine große Runde spazieren zu gehen, eine Serie zu schauen oder ein gutes Buch zu lesen. Auch die Wochenenden und Tage zwischen den Klausuren habe ich überwiegend so genutzt und versucht, mich nicht verrückt zu machen, indem ich mir meine Lernunterlagen wieder und wieder angeschaut hätte. Der Kopf und der Körper brauchen die Ruhe zwischen den einzelnen Klausuren, denn wie schon mein Repetitor vor dem Ersten Examen gesagt hat: Das Examen ist ein Marathon und kein Sprint.

 

Anfang Oktober hatte ich dann, nach gefühlt endlos langer Wartezeit auf die Ergebnisse, auch meine mündliche Prüfung. In Baden-Württemberg finden alle mündlichen Prüfungen aus dem Zweiten Staatsexamen in Stuttgart statt. Glücklicherweise hatte ich einen Nachmittagstermin erwischt, weswegen ich zumindest nicht die Nacht vor der Prüfung in einem fremden Bett in Stuttgart verbringen musste. Ich hatte mich im Vorfeld mit meinen zwei Mitprüflingen mehrfach virtuell getroffen, um Prüfungen zu simulieren, bei denen jeder von uns abwechselnd ein Rechtsgebiet vorbereiten musste. Obwohl ich selbst bei diesen privaten Simulationen schon (unbegründet) extrem aufgeregt war, hat mir das für die eigentliche Mündliche sehr geholfen. Es gibt einem einfach ein Gefühl von Sicherheit, wenn man bei der Ankunft im Prüfungsgebäude schon in vertraute Gesichter schauen kann. Und lasst es euch von jemandem sagen, der immer viel zu großen Respekt vor der mündlichen Prüfung hatte – letzten Endes sind die Prüfer auch nur Menschen, die ihre Nutella-Brote vielleicht ebenfalls gerne mit Butter essen.

 

Abschließend möchte ich euch nur Folgendes mit auf den Weg geben: Seid nicht zu hart zu euch, ihr habt schon das Erste Examen hinter euch gebracht, ihr werdet das Zweite ebenfalls schaffen. Und nehmt auf jeden Fall ausreichend Snacks mit. Ohne Nervennahrung Klausuren zu schreiben, hat wirklich noch nie jemanden glücklich gemacht!