Digitaler Auslandsaufenthalt

Tim Schneider · 

Wie bereits in einem früheren Beitrag erwähnt, bieten seit Beginn der Corona-Krise Universitäten vermehrt die Möglichkeit an, einen Auslandsaufenthalt auch digital anzutreten. Was von einem virtuellen Auslandssemester erwartet werden kann und für wen dieses sinnvoll ist, wird im folgenden Beitrag erläutert.

Wie bereits im Beitrag „Auslandsaufenthalt in Zeiten von Corona“ berichtet, gibt es seit Beginn der Corona-Pandemie zunehmend auch die Möglichkeit, einen digitalen Auslandsaufenthalt anzutreten. Dieser Beitrag möchte nun näher auf die Möglichkeiten eines digitalen Auslandssemesters eingehen und aufzeigen, wie trotz weltweiter Reisebeschränkungen wertvolle internationale Erfahrungen gesammelt werden können.

Die unruhigen Zeiten während der Corona-Krise verunsichern viele Studierende und werfen insbesondere bei auslandswilligen Studenten die Frage auf, wie sinnvoll ein studiumsbedingter Auslandsaufenthalt in Zeiten einer weltweiten Pandemie sein kann. Diese Unsicherheit fängt bereits mit der Einreise an. Aufgrund schwankender Inzidenzzahlen und neuer Virusvarianten können sich die Einreisebedingungen zwischen den einzelnen Ländern jeden Tag aufs Neue ändern. Daher besteht die Besorgnis, den Auslandsaufenthalt eventuell nicht antreten zu können. Dies kann einen gewaltigen Unsicherheitsfaktor bedeuten. Aber auch wenn eine Einreise ins Gastland möglich sein sollte, kann die aktuelle Coronasituation am Aufenthaltsort weitere Unwägbarkeiten bereithalten. So ist ein Auslandssemester oft eine kostspielige Sache, da neben den Anreisekosten häufig auch Studiengebühren an der Gastuniversität sowie ggf. höhere Lebenshaltungskosten im Aufenthaltsland beglichen werden müssen. Daher sind viele Studierende daran interessiert, so viel aus ihrem Auslandsaufenthalt herauszuholen wie möglich: Neben dem Besuch einer fremden Universität steht bei einem Auslandssemester insbesondere auch das Eintauchen in eine fremde Kultur im Vordergrund. Dies ist jedoch nur sehr begrenzt möglich, wenn im Gastland alle Ausgehmöglichkeiten coronabedingt wegfallen und auch der Kontakt zu Mitstudierenden durch den Wechsel von Präsenzveranstaltungen zu Online-Vorlesungen stark beschnitten ist. Viele Studenten stehen daher vor der schwierigen Entscheidung, den Auslandsaufenthalt trotz aller Unwägbarkeiten dennoch anzutreten oder auf unbestimmte Zeit zu verschieben.

An diese Ausgangslage knüpfen nun die seit Beginn der Corona-Krise immer stärker in den Vordergrund tretenden digitalen Auslandsprogramme vieler Universitäten an. Durch den Verzicht einer physischen Präsenz an der Gastuniversität fallen viele Unwägbarkeiten weg, wodurch das Kostenrisiko des Auslandsaufenthalts auf ein Minimum herabgesenkt wird. Studierende können dabei von ihrem Wohnort in Deutschland aus virtuell an den Veranstaltungen der Gastuniversität teilnehmen. Durch den Besuch von Online-Vorlesungen in der Landessprache der Auslandsuniversität wird dabei die Sprachkompetenz auch ohne konkreten Aufenthalt im Gastland verbessert. Auch bieten mittlerweile viele Universitäten durch Zusatzprogramme die Möglichkeit, digital in die Kultur ihres Landes einzutauchen. So werden häufig speziell für ausländische Studierende virtuelle Veranstaltungen angeboten, die den Austausch mit internationalen Studenten fördern und das Sammeln interkultureller Erfahrungen ermöglichen.

Zwar erscheint es offensichtlich, dass ein solcher digitaler Auslandsaufenthalt trotz der damit verbundenen fremdsprachigen Vorlesungen und interkulturellen Zusatzveranstaltungen kein richtiges Auslandsstudium vor Ort ersetzen kann. Jedoch kann diese neue Möglichkeit des Auslandsaufenthalts auch einen für viele Studierende günstigen Kompromiss bereithalten. Zwar sind – wie skizziert – im digitalen Auslandssemester die kulturellen Aspekte stark eingeschränkt. Der Auslandsaufenthalt vom eigenen Wohnort aus bietet jedoch nicht nur die Möglichkeit, kostengünstig Auslandserfahrungen zu sammeln. Parallel kann auch das Studium an der Heimuniversität weitergeführt werden. Gerade dieser Kompromiss könnte Anlass dazu sein, mehr Studierende zum Sammeln internationaler Erfahrungen zu motivieren. So hat der Deutsche Akademischen Austauschdienst (DAAD) durch Untersuchungen und Studierendenbefragungen herausgefunden, dass viele Studenten an deutschen Hochschulen vor einem Auslandsaufenthalt zögern, da sie befürchten, durch einen Auslandsaufenthalt Zeit in ihrem Hauptstudium zu verlieren.[1] Da durch den Einsatz digitaler Technik jedoch das Studium an der eigenen Uni parallel zum Studium an der Gastuniversität möglich ist, könnte hierdurch vielen Studierenden die Scheu jedenfalls vor einem digitalen Auslandssemester genommen werden.

Letzten Endes ist es allerdings von den individuellen Bedürfnissen eines jedes Studierenden abhängig, welche Art des Auslandsaufenthaltes bevorzugt wird. Jedoch sollte ein Gesichtspunkt in jedem Fall beachtet werden. Es ist egal, ob man sich nun die neuen Möglichkeiten der Hochschuldigitalisierung zu Nutze macht oder einen klassischen Auslandsaufenthalt mit physischer Präsenz im Gastland anstrebt. Für beide Formen des Auslandstudiums gilt: Den meisten Problemen kann durch eine optimale Vorbereitung vorgebeugt werden. So sollten sich Studierende stets darüber im Klaren sein, auf welche Weise das Auslandssemester anerkannt wird und welche Vorteile die internationalen Erfahrungen im eigenen Studium bringen. Nur dann wird das Auslandssemester – egal ob virtuell oder physisch vor Ort – auch ein Erfolg.

 

[1] https://www2.daad.de/der-daad/daad-aktuell/de/51991-virtuell-ins-ausland-gehen/.