Confirmation Bias

Karin Distler · 

„Du hörst nur, was du hören willst!“ – Diesem Vorwurf sahen wir uns wohl alle schon einmal ausgesetzt. Meist wird er schnell mit einem ärgerlichen Kopfschütteln abgetan. Doch spätestens bei der nächsten Diskussion mit Eltern oder Partner:in, die scheinbar jeglichen Fakten unzugänglich auf ihrer Meinung beharren, schießt er einem gerne mal selbst durch den Kopf. Aber woran liegt das?

Ein möglicher Grund ist der sogenannte confirmation bias, zu Deutsch „Bestätigungsfehler“. Dieses Phänomen wurde erstmals in den Sechzigerjahren vom englischen Psychologen Peter Wason untersucht. Kern des confirmation bias ist, dass Menschen viel eher geneigt sind, Fakten aufzunehmen und zu behalten, die ihre ohnehin schon gefasste Meinung bestätigen. Entgegenstehende Argumente werden hingegen ausgeblendet oder entschlüpfen dem Gedächtnis schnell wieder.

 

Dieser Denkfehler kann sich dabei auf alle möglichen Lebensbereiche beziehen. Nehmen wir an, ich sei zur Überzeugung gelangt, dass mein Mitbewohner einfach nie die Küche putzt. Wahrscheinlich wird es mir nun ins Auge springen und meine Annahme bestätigen, wenn er den Spüllappen nicht schwingt. Fegt er hingegen wie Meister Proper durch die Wohnung, erscheint mir das ungeachtet der tatsächlichen Häufigkeit als seltene Ausnahme.

Oder betrachten wir die in Horoskopen oft vertretene Meinung, dass alle Menschen mit Sternzeichen Schütze gerne verreisen. Glaube ich daran, so wird jeder von einem Schützen unternommene Auslandstrip zur Untermauerung dieser Meinung herangezogen werden. Das gilt auch, wenn dieser dabei vielleicht stets von seiner Fische-Partnerin begleitet wurde.

Stellen wir uns abschließend vor, ich habe ich mir kürzlich einen roten Kleinwagen gekauft und bin nun sicher, dass rote Kleinwagen gerade sämtliche Straßen erobern. Diese Autos werden mir vermehrt auffallen, während die zahllosen schwarzen Kleinwagen dem Blickfeld zu entgleiten scheinen.

 

Auch die sozialen Medien machen sich dieses Wissen zunutze. Algorithmen werten die eigenen Interessen aus und zeigen überwiegend Beiträge an, die zur eigenen Einstellung und zum Weltbild passen. Das erspart den Nutzer:innen die anstrengende geistige Betätigung, die eigene Meinung zu hinterfragen. Daneben hüllt es sie in ein wohliges Gefühl stetiger Bestätigung. So fällt es gleich viel leichter, noch ein wenig länger durch den Feed zu scrollen und das soziale Netzwerk dabei mit immer neuen Daten zu versorgen!

Der confirmation bias erleichtert Menschen als letzten Schritt auch die Radikalisierung in jedwede Richtung. Wie wunderbar einfach scheint es, in fanatische Anhängerschaft für bestimmte Strömungen zu verfallen, wenn entgegenstehende Wirklichkeiten schlichtweg ausgeklammert werden können!

 

Dass wir alle von Zeit zu Zeit dem Bestätigungsfehler unterliegen, ist ganz normal und lässt sich auch schwer verhindern. Um jedoch immer nochmal zu einer objektiven Sichtweise zurückzufinden, ist es wichtig, die eigenen Gedanken mit ein wenig Abstand zu betrachten. Gegenüber Argumenten offen zu bleiben, die der eigenen Meinung entgegenstehen, spielt eine wichtige Rolle. Dabei hilft es insbesondere in Streitgesprächen, sich in die Sichtweise des Gegenübers einzufühlen. So können wir eruieren, ob dessen Überzeugungen nicht ebenfalls der Wahrheit entsprechen könnten.