Der Zivilprozess der Zukunft (Teil 1): Zur Zulässigkeit vollautomatisierter Entscheidungen in der Ziviljustiz

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Ein Roboter sitzt wie ein Richter vor Gericht. Vor ihm eine Waage, in der Hand hält er einen Holzhammer.

„Der Zivilprozess der Zukunft (Teil 1): Zur Zulässigkeit vollautomatisierter Entscheidungen in der Ziviljustiz“ – dieses Thema haben Prof. Dr. Stephan Weth, Dr. Jochen Krüger und Dr. Stephanie Vogelgesang in einem Beitrag, welcher in der Mai-Ausgabe der juris Monatszeitschrift (jM) veröffentlicht wird, ausführlich diskutiert.

Die Justiz ist mit Einführung der e-Akte (§ 298a Abs. 1a S. 1 ZPO) am Anfang eines Weges in eine digitale Zukunft. Weitere Schritte auf diesem Weg könnten die Unterstützung von KI bei der Erstellung richterlicher Entscheidungen und schließlich vermittels KI (ohne Beteiligung menschlicher Richter) erstellte vollautomatisierte Entscheidungen sein. Eine verbreitete Auffassung in der Literatur hält dies mit dem Grundgesetz, insbesondere Art. 92 GG, für unvereinbar. Diesen Ansatz lehnen die Autoren jedoch ab und führen Folgendes zur Begründung an: Gem. Art. 92 S. 1 GG ist die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut. Kennzeichen für die Rechtsprechung im funktionellen Sinne ist die letztverbindliche Klärung in einem Streitfall. Die ZPO ermöglicht im Bereich des Mahnverfahrens bereits vollautomatisierte Entscheidungen (§ 689 Abs. 1 ZPO). Diese sind aber nicht letztverbindlich, da bei fristgerecht eingelegtem Widerspruch (gegen den Mahnbescheid) oder Einspruch (gegen den Vollstreckungsbescheid) ins streitige gerichtliche Verfahren übergeleitet wird, für das wiederum der menschliche Richter zuständig ist. Durch diese Gestaltung des Mahnverfahrens hat der Gesetzgeber die letztverbindliche Klärung der Rechtslage bei dem Richter belassen. Das Grundgesetz verbietet demnach vollautomatisierte Entscheidungen nicht, wenn das Verfahren zweistufig ausgestaltet ist, wobei auf der ersten Stufe eine Entscheidung ergeht, die nicht vollstreckbar ist. Auch die DSGVO steht vollautomatisierten Entscheidungen der Justiz nicht entgegen. Da in der ZPO – abgesehen vom Mahnverfahren – vollautomatisierte Entscheidungen noch nicht vorgesehen sind, müsste die ZPO geändert werden, um solche Entscheidungen umfassend zuzulassen.